Wenn das Auto im Wasser versinkt: So retten Sie sich
Ein Auto stürzt in ein Gewässer und versinkt. Um sich zu befreien, ist es in dieser lebensbedrohlichen Situation wichtig, schnell und überlegt zu handeln. Das müssen Sie tun, um sich zu retten.
Vollständiges Versinken dauert 3 bis 4 Minuten
Einschlagen der Seitenscheibe ohne Nothammer unmöglich
Warten bis sich Tür öffnen lässt, ist keine Option
Zum Glück kommt es äußerst selten vor, in einem sinkenden Auto festzustecken. Aber es kann passieren. Sei es aufgrund eines Unfalls oder aufgrund einer gefährlichen Extremwetterlage. Wie im Ahrtal 2021 zum Beispiel, ein Albtraum, den man nicht erleben möchte.
Aber wenn es einem tatsächlich passiert: Was soll man in dieser prekären Situation am besten tun? Gleich raus aus dem Auto? Geht die Tür überhaupt noch auf und funktionieren die elektrischen Fensterheber noch, um aus dem Fenster zu klettern? Und wie schnell geht das Fahrzeug unter? Fragen, auf die man vorbereitet sein sollte.
ADAC Test: Vier Szenarien untersucht
Um für den Fall der Fälle gerüstet zu sein, hat der ADAC vier Szenarien von Wasserunfällen näher untersucht. Außer einem Auto mit Verbrennungsmotor wurde auch ein vollelektrischer Pkw versenkt, weil es möglicherweise Unterschiede im Sinkverhalten geben könnte. Zusätzlich wurde untersucht, ob das Hochvoltsystem den Insassen zur Gefahr wird. Im Vordergrund stand aber immer die Frage: Wie schafft man es, heil aus dem Auto herauszukommen?
In den vier Tests wurden verschiedene Fluchtmöglichkeiten erprobt und untersucht, welche Abläufe und Hilfsmittel zum Erfolg führen. Im letzten Fall sollte der Fahrer zusätzlich ein Babydummy aus dem Kindersitz befreien. Die verschiedenen Testszenarien im Überblick.
1. Öffnen der Seitenscheibe

Im ersten Versuch wird ein modernes Elektroauto mit aktivem Hochvoltsystem ins Tauchbecken geschoben: ein Citroën ë-C4 des Baujahres 2022. Aufgrund der niedrigen Aufprallgeschwindigkeit (ca. 15 km/h) lösen die Airbags nicht aus. Auftrag des Fahrers: sich durch das elektrisch zu betätigende Seitenfenster zu befreien.
Ergebnis: Die Fensterheber bleiben über den gesamten Versuch hinweg funktionsfähig. Selbst am Grund des Beckens lassen sich die Fensterheber bedienen, wie ein im Auto zurückgebliebener Rettungstaucher (in Vollausrüstung) feststellt.Die Selbstrettung auf dem Weg durchs Fenster funktioniert deshalb relativ problemlos.
Der Fahrer schafft den Ausstieg in nur 57 Sekunden. Das Fahrzeug treibt für 2 Minuten und 11 Sekunden, bis das Wasser über die Türkante durch das geöffnete Fenster ins Fahrzeuginnere läuft. Dann kommt es zu einem Abkippen der Fahrzeugfront. Innerhalb von weiteren 35 Sekunden ist das Fahrzeug vollständig versunken.
Auch nach Bergung des Fahrzeugs ist das 12-V-Bordsystem an Land noch funktionsfähig. Allerdings ist im Sicherungskasten des Niedervoltsystems ein Temperaturanstieg auf bis zu 90° C zu beobachten, woraufhin die Batterie getrennt wird. Nach Trennung der 12-V-Batterie fällt die Temperatur schnell ab. Das Elektro-Fahrzeug befindet sich über eine Versuchsdauer von 12 Minuten und 8 Sekunden im Wasser bzw. für 10 Minuten vollständig unter Wasser.
Interessant: Das Hochvoltsystem des Elektroautos zeigt keinerlei thermische Auffälligkeiten.
2. Öffnen der Fahrertür

Im zweiten Versuch ist das Fahrzeug mit Verbrennungsmotor in betagtem Alter dran: ein Seat Exeo des Baujahres 2009. Annahme: Die Fenster lassen sich nicht mehr öffnen. Der Fahrer soll stattdessen die Tür öffnen. Das funktioniert allerdings erst dann, wenn ein Druckausgleich vorhanden ist, sich im Inneren des Fahrzeugs also schon eine ganze Menge Wasser befindet. Im Kino klappt das meist – und der Held kann sich aus dem versinkenden Auto zu befreien.
Ergebnis des realen Versuchs: Wenn das Fahrzeug versinkt, kippt erst die Front nach unten. Eine Luftblase sammelt sich durch das Sinkverhalten also im Fahrzeugheck. Die Fahrertür lässt sich erst nach 4 Minuten und 36 Sekunden öffnen. Und auch nur, nachdem der Fahrer sich zwischen Fahrer- und Beifahrertür verspreizt, um genügend Druck ausüben zu können.
Zum Zeitpunkt der Türöffnung befindet sich der Kopf des Fahrers bereits 1 Minute und 37 Sekunden unter Wasser. Das Öffnen der Fahrertür ist also mitnichten der beste Weg, sich aus einem versinkenden Auto zu befreien,.
3. Zerstören der Seitenscheibe

Dieser Versuch soll zeigen, ob und wie sich die Seitenscheibe des Fahrzeugs von innen hinter dem Steuer sitzend zertrümmern lässt. Eingesetzt wird erneut der Pkw mit Verbrennungsmotor, der – und das kommt erschwerend hinzu – mit doppelwandigem Sicherheitsglas ausgestattet ist. Diese Verglasung lässt sich bei manchen Autos gegen Aufpreis erwerben, damit die Fahrgeräusche besser gedämmt werden.
Das ernüchternde Ergebnis: Der Versuch, die Seitenscheibe zu zertrümmern, gelingt weder mit der Spitze eines Regenschirms noch mit dem Gestänge einer Kopfstütze, die der Fahrer dafür zu Hilfe nimmt. Selbst unter Verwendung eines Nothammers oder eines Federkörners kann die doppelt verglaste Scheibe nicht zerstört werden.
Erst der Versuch des Fahrers, mit Hilfe eines sogenannten Federkörners (ein quasi vorgespannter Nothammer) durch die nur einfach verglaste Heckscheibe den Weg nach draußen zu finden, gelingt. Durchstieg nach hinten und Ausstieg durch das Heckfenster sind aber extrem kräfteraubend. Gepäck und Gegenstände im Kofferraum, das Gepäcknetz oder Dinge auf der Rückbank, die den Weg versperren könnten, befanden sich nicht im Fahrzeug. Auch bei diesem Szenario wird es also sehr kritisch für die Insassen.
4. Befreiung eines Babys

Und wie sieht es aus, wenn sich nicht nur der Fahrer selbst, sondern zusätzlich ein Baby (Dummy) unversehrt ans rettende Ufer bringen muss? Für diesen Versuch wird wieder das Elektroauto eingesetzt.
Um den Versuch erfolgreich zu überstehen, muss der Testfahrer schleunigst zwischen den Vordersitzen hindurch in den Fond des Fahrzeugs krabbeln, dann die Gurte von dem Baby-Dummy lösen, die hintere Seitenscheibe mittels Nothammer zertrümmern, das Baby vorsichtig aufnehmen, sich mit ihm durchs Fenster zwängen und mit ihm vor der Brust in Rückenlage an Land schwimmen.
Was nicht zu erwarten war: Der Versuch glückt, auch wenn es für die Testperson überaus anstrengend ist. Dabei sollte man wissen: Bei dem Probanden handelt es sich um einen durchtrainierten Menschen von schmaler Statur, der als Rettungsschwimmer bei der Feuerwehr Dienst tut und mental auf solche Einsatzfälle vorbereitet ist. Dass weniger trainierte, besonders große oder mental unvorbereitete Personen die Aufgabe bewältigen können, erscheint sehr unwahrscheinlich.
Verhaltens-Tipps: So kann man sich retten
1. Sich aus einem Auto unter Wasser zu befreien, gelingt nur, wenn man so schnell wie möglich die Seitenscheibe herunterkurbelt bzw. so schnell wie möglich den elektrischen Fensterheber betätigt und den Sicherheitsgurt löst, um sich bewegen zu können.

2. Das Zertrümmern einer Seitenscheibe ist einzig und allein mit einem Nothammer oder (noch besser) mit einem sogenannnten Federkörner möglich.
3. Doppelt verglaste Seitenscheiben sind quasi unkaputtbar. In diesem Fall sollte man versuchen, sofort in den Fond des Pkw durchzusteigen und sich den Weg per Nothammer durch die Heckscheibe zu bahnen, denn die ist in Fahrzeugen meist nur einfach verglast.
4. Auf keinen Fall sollte man im Pkw unter Wasser ausharren, in der Hoffnung, die Tür öffnen zu können, wenn der Gegendruck ausgeglichen ist. Der vermeintliche Notfallplan gelingt entgegen der landläufigen Meinung nicht.
Um zu verhindern, dass Angst in Panik umschlägt, empfiehlt ADAC Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino, sich mit den beschriebenen Abläufen und Verhaltensregeln auseinanderzusetzen und die Rettung im Geist einmal durchzuspielen. In einer Trockenübung auszuprobieren, durch das geöffnete Seitenfenster hinauszuklettern, kann zudem lehr- und hilfreich sein.
Prägen Sie sich auch diese weiteren Tipps gut ein!
Auto versinkt: Das sollte man bedenken
Szenario geistig durchspielen und korrektes Verhalten einprägen (abschnallen, Fenster herunterlassen, ggfs. Kindern und anderen Personen helfen, Ausstieg).
Ruhe bewahren, aber zügig und geistesgegenwärtig handeln. Das Fahrzeug sollte innerhalb der ersten Minute nach Wasserung verlassen werden.
Fenster so früh wie möglich herunterfahren. Je länger man wartet, desto größer wird das Risiko, dass die 12-Volt-Bordelektrik ausfällt.
Auf keinen Fall warten, dass sich die Tür öffnen lässt.
Vorbereitend: Nothammer oder Federkörner in Kombination mit Gurtschneider sicher und an gut zugänglicher Stelle im Fahrzeug platzieren.
Nothammer nicht in der Mitte der Scheibe, sondern an den Ecken ansetzen. Beim Zuschlagen Augen schützen.
Bei Pkw mit doppeltem Sicherheitsglas ist Ausstieg nur über die Heckscheibe möglich. Nur die lässt sich zertrümmern, weil sie einfach verglast ist.
Unterschiede: E-Autos und Verbrenner

Ob Elektro oder Verbrenner spielt kaum eine Rolle. Beide Fahrzeuge im Test neigen sich nach kurzer Zeit nach vorne. Wegen leichtem Heck kippt der Verbrenner etwas schneller. Interessantes Ergebnis dabei: Das Hochvoltsystem des Vollelektrischen hält trotz zweimaligen Versenkens unter Wasser dicht – ein Stromschlagrisiko besteht nicht. Die Fensterheber des getesteten Citroën ë-C4 funktionierten noch bis etwa 10 Minuten nach dem Versenken einwandfrei.
Das können Zeugen tun
Hilfe von außen ist in der Extremsituation eines Wasserunfalls enorm wichtig. In einigen Fällen – etwa wenn es sich um Rettungsaktionen in fließenden Gewässern handelt – ist sie sogar unerlässlich, weil nur Rettungskräfte mit Spezialausrüstung das Fahrzeug sichern und die Rettung durchführen können.
Das sollten Sie tun:
Alarmieren Sie sofort die Rettungskräfte.
Unterstützen Sie die Insassen nach Möglichkeit beim Verlassen des Fahrzeugs. Achten Sie dabei aber auf Ihre eigene Sicherheit und handeln Sie nach den genannten Verhaltensempfehlungen.
Testbericht und Projektleitung: Maximilian Oswald, ADAC Technik Zentrum