XPeng G6: Außenseiter mit Premium-Anspruch

Der neue XPENG G6 im Test
Eine Option für Experimentierfreudige? Der XPeng G6 © ADAC/Wolfgang Rudschies

Eine neue Automarke in Europa platzieren: Das ist ein kolossales Unterfangen, bei dem gute Qualität, gepaart mit niedrigen Preisen, ein absolutes Muss ist. Erfüllt XPengs drittes Modell, das Elektro-SUV G6, diese Ansprüche? Der ADAC hat den Chinesen getestet.

  • G6: Geräumiges E-SUV der Mittelklasse

  • 800-Volt-Technik: Laden, so schnell wie selten

  • Klassisches Händlernetz soll Vertrauen schaffen

Am Anfang war die Software: 2014 schlossen sich im chinesischen Guangzhou unter anderem Lei Jun, der Gründer des Software-Unternehmens Xiaomi, und He Xiaopeng zusammen, der durch den Verkauf seiner Internetfirma UCWeb an den Tech-Giganten Alibaba zum Milliardär geworden war. Xiaopeng verlieh XPeng nicht nur seinen Namen, sondern steht dem E-Autobauer heute noch als CEO vor.

Der XPeng G6 ist das dritte Modell des Herstellers in Deutschland. Nach dem Start des Riesen-SUV G9 und der Limousine P7 hat es eine verantwortungsvolle Aufgabe: Kundinnen und Kunden von der neuen Marke zu überzeugen – im nicht an Autoherstellern armen Europa. Kann das gelingen?

Test XPeng G6: Premium-Anspruch erfüllt?

Das Auftreten von XPeng ist durchaus selbstbewusst. Ähnlich wie Nio will die neue Marke sich eher bei der anspruchsvollen, Tech-interessierten Kundschaft versuchen. Der Einstieg soll dabei, anders als bei Smart, GWM, MG oder BYD, nicht über günstige Alltagstauglichkeit, sondern mit einem forsch formulierten Premium-Anspruch glücken.

Das merkt man vor allem im Innenraum. Hier muss sich XPeng nicht vor dem Oberklasse-Flair eines Nio verstecken, die Verarbeitung ist tadellos gelungen. Nur bei den unteren Türfächern greift man an Hartplastik, ansonsten nur an hochwertige Lederimitate und Stoffe, die robust, aber gleichzeitig angenehm wirken.

Der G6 kann es qualitativ problemlos mit der hochpreisigen Konkurrenz wie BMW aufnehmen. So bekommt das Kapitel Verarbeitung verdient die Note 1,9.

Bedienung und Ausstattung

Aufnahme des Cockpit des Xpeng G6
Das Soundsystem ist die Wucht; optisch gibt es aber wenig Grund zu jubilieren© Xpeng

Die Türen entriegeln sich per Knopfdruck, das Panoramadach sorgt für angenehmen Lichteinfall, die Sitze lassen sich elektrisch verstellen und sogar ganz in die Horizontale bringen, das Lenkrad kann man erwärmen. Das wäre normalerweise nicht wirklich der Rede wert, wäre da nicht ein erstaunliches Detail: All das gibt es in Serie. Wo europäische Hersteller eine lange Liste an kostenpflichtigen Extras parat hätten, ist bei XPeng alles inklusive. So steht der Testwagen mit lediglich 47.600 Euro in der Preisliste.

Ein beeindruckendes Seriendetail ist die Soundanlage, denn die ist phänomenal. Selbst bei sehr lauter Musik sind die Töne noch klar. Durch die Panoramasound-Einstellung wirkt das Klangerlebnis multidimensionaler als in vielen anderen Autos.

Weniger gut gefällt den ADAC Ingenieuren, dass das Bediensystem des G6 sehr arm an Tasten ist. Nahezu alle Fahrzeugfunktionen werden über das knapp 15 Zoll große zentrale Touch-Display über der Mittelkonsole gesteuert. Immerhin lässt sich die Leiste am unteren Bildschirmrand individuell mit Funktionen belegen. Zusätzlich gibt es ein Schnellzugriffsmenü mit Grundfunktionen wie Kofferraum öffnen, Kindersicherung oder Spiegeleinstellung.

Etwas Übersicht schafft die Split-Screen-Funktion: Zwei Inhalte lassen sich gleichzeitig auf dem Display visualisieren. Dennoch ist der Funktionsumfang enorm und die Übersichtlichkeit bescheiden. Zudem stolpert man immer wieder über ungewöhnliche Bezeichnungen und schwer verständliche Beschreibungen von einfachen Funktionen.

Die teils wirre Einsortierung gewisser Einstellungen erschwert zusätzlich die Handhabung und fordert eine außerordentlich lange Eingewöhnungsdauer. In Summe bekommt das Kapitel Bedienung die Note 3,9 – die schlechteste des G6 im gesamten Testprogramm.

Ladetechnik vom Feinsten

Aufnahme des Xpeng G6 beim Laden an einer Ladesäule
XPeng spielt mit seiner 800-Volt-Technik ganz oben mit© Xpeng

Der "Long Range"-Akku im Testfahrzeug enthält nutzbare 87,5 kWh Energie, was für gute 500 Kilometer Reichweite im ADAC Ecotest genügt. Der Verbrauch liegt bei 19,9 kWh pro 100 Kilometer – ebenfalls kein schlechter Wert.

Einen echten Unterschied zur Konkurrenz bietet die enorme Ladeleistung, die XPeng mit einer 800-Volt-Technologie realisiert hat. Nach ADAC Messung erreicht der G6 einen Ladepeak von 273 kW an der Schellladesäule. Die durchschnittliche Ladeleistung beim Hub von 10 auf 80 Prozent SoC (State of Charge = Ladezustand) beträgt 198,5 kW. Davon können viele Besitzer eines Elektroautos nur träumen.

Anders gesagt: In nur 20 Minuten wird Strom für 366 weitere Kilometer nachgeladen. Damit rangiert der XPeng G6 bei der Ladegeschwindigkeit unter den Besten. An der Wallbox oder öffentlichen AC-Säule schafft der Chinese allerdings nur 11 kW (statt der maximal möglichen 22 kW) und steht dort für eine volle Ladung rund acht Stunden.

Überraschend groß: Innen- und Kofferraum

Der neue XPENG G6 im Test
Xpeng G6 Testfahrzeug: überraschend gute Transportqualitäten© ADAC/Wolfgang Rudschies

Ausgesprochen gut sind die Platzverhältnisse im 4,75 Meter langen Elektro-SUV. Besonders das Raumangebot im Fond ist enorm. Hier sitzen Menschen mit über zwei Meter Körpergröße bequem. Der Kofferraum fasst gute 390 bis 1475 Liter nach ADAC Messmethode. Entfernt man die Kofferraumabdeckung und nutzt den Stauraum bis unters Dach, passen 500 Liter oder elf handelsübliche Getränkekisten hinein.

Mit 531 Kilogramm liegt auch die erlaubte Zuladung auf einem Niveau, das für vier Personen samt Gepäck ausreicht. Zwei Fahrräder kann man sich entweder aufs Dach schnallen oder – sofern man die elektrisch schwenkbare Anhängerkupplung geordert hat (1160 Euro) – auf dem Heckträger transportieren.

Fahreindruck: Souverän, ohne zu brillieren

Aufnahme von hinten des fahrenden Xpeng G6
Der G6 wirkt wie aus einem Guss geformt, dafür aber auch recht unaufregend© Xpeng

Der getestete XPeng G6 Long Range stellt eine Leistung von 210 kW/286 PS an der Hinterachse zur Verfügung. Fallen die 440 Nm Drehmoment über die Hinterräder her, marschiert der rund zwei Tonnen schwere G6 in 6,7 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Und erst bei 200 km/h wird der Vortrieb elektronisch eingebremst. Motorvibrationen sind für den elektrischen XPeng ein Fremdwort. Das Ansprechverhalten ist gut und wird im Sport-Modus passenderweise noch direkter.

Im Kapitel Fahrstabilität liefert der XPeng eine gute Gesamtleistung ab. Auf einen Lenkimpuls, wie er beim spontanen Ausweichen oder in Schreckreaktionen auftreten kann, reagiert der Chinese sehr gutmütig und beruhigt sich rasch wieder. Im ADAC Ausweichtest fährt der G6 für ein SUV erstaunlich agil und leichtfüßig durch die Pylonengasse.

Übertrieben straffe Federung

Die Federung des XPeng G6 ist gefühlt übertrieben straff. Über Querhindernisse geht es ziemlich bockig und steif. Und das Überfahren von Kopfsteinpflaster sorgt für eine dröhnende Innenraumatmosphäre inklusive Klappern und Vibrieren.

Nicht überzeugend schneidet auch die Lenkung in der Bewertung der Tester ab. Innerstädtisch lässt sich der XPeng wortwörtlich mit dem kleinen Finger bewegen. Mit zunehmendem Tempo jedoch steigt der Kraftaufwand auf ein störendes Niveau. Spätestens ab Autobahntempo ist die Rückstellung so heftig, dass man den G6 schon beherzt dazu überreden muss, die Fahrspur zu wechseln oder dem Kurvenverlauf zu folgen.

Der Bremsweg ist mit gemessenen 35,8 Metern nicht mehr als Durchschnitt. Das Pedalgefühl wirkt dabei leider sehr synthetisch.

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Assistenten teils unzuverlässig

Wie von einem Unternehmen mit dieser Software-Vergangenheit zu erwarten, bietet der G6 an Sensorik nahezu alles auf, was der Markt wünscht. Zwölf Kameras und 17 Ultraschall- und Millimeterwellen-Radare sind verbaut und überwachen die nahe und weitere Umgebung des Fahrzeugs. Kollisionswarner, Bremsassistent, Verkehrszeichenerkennung, Türöffnungswarner, Spurhalteassistent und vieles mehr liefert der G6 serienmäßig.

Die Funktionsqualität birgt allerdings Verbesserungspotenzial. Beispiel Lenkassistent auf der Autobahn: Sofern die Übernahme des Steuers vom System überhaupt mal angeboten wird, folgt sehr schnell die Rückübergabe an den Fahrer oder die Fahrerin. Ohnehin fällt es schwer, dem XPeng glaubhaft zu machen, dass man auch wirklich die Hände am Steuer hält.

Ebenso unzuverlässig funktionierte der Spurwechselassistent, welcher noch seltener seine Einsatzfähigkeit zu erkennen gab. Auch die Verkehrszeichenerkennung arbeitete unzuverlässig. Wozu also der Chinese die ganzen Kameras und Sensoren hat, erschließt sich nicht.

Fazit

Was kostet der XPeng G6 in Deutschland? Mit dem XPeng G6 Long Range bekommt man für 47.600 Euro ein (fast) komplett ausgestattetes, rein elektrisches SUV mit 800-Volt-Ladetechnologie und einer praxistauglichen Reichweite von rund 500 Kilometern. Die unausgereiften Assistenten sowie das dünne Händlernetz sind allerdings gewichtige Gegenargumente.

  • Das hat uns gefallen: hohe Verarbeitungsqualität, üppiges Platzangebot, kurze DC-Ladezeit, umfangreiche Serienausstattung, attraktiver Preis, sieben Jahre Fahrzeuggarantie, acht Jahre Garantie auf Batterie.

  • Das hat uns nicht gefallen: ablenkungsintensive Bedienung, kein Handschuhfach, zu heftige Lenkrad-Rückstellung bei hohem Tempo, unausgereifte Fahrerassistenzsysteme, dünnes Händler- und Werkstattnetz.

Hier können Sie den ausführlichen Testbericht zum XPeng G6 Long Range als PDF nachlesen

XPeng G6: Technische Daten, Maße, Preise

Technische Daten (Herstellerangaben)

XPeng G6 Long Range (ab 08/24)

Motorart

Elektro

Leistung maximal in kW (Systemleistung)

210

Leistung maximal in PS (Systemleistung)

286

Drehmoment (Systemleistung)

440 Nm

Antriebsart

Hinterrad

Beschleunigung 0-100km/h

6,7 s

Höchstgeschwindigkeit

200 km/h

Reichweite WLTP (elektrisch)

570 km

CO2-Wert kombiniert (WLTP)

0 g/km

Verbrauch kombiniert (WLTP)

17,5 kWh/100 km

Batteriekapazität (Netto) in kWh

87,5

Ladeleistung (kW)

AC:11,0 DC:280,0

Kofferraumvolumen normal

571 l

Kofferraumvolumen dachhoch mit umgeklappter Rücksitzbank

1.374 l

Leergewicht (EU)

2.025 kg

Zuladung

528 kg

Anhängelast ungebremst

750 kg

Anhängelast gebremst 12%

1.500 kg

Garantie (Fahrzeug)

7 Jahre oder 160.000 km

Länge x Breite x Höhe

4.753 mm x 1.920 mm x 1.650 mm

Grundpreis

47.600 Euro

ADAC Messwerte

ADAC Messwerte (Auszug)XPeng G6

Überholvorgang 60 – 100 km/h

3,2 s

Bremsweg aus 100 km/h

35,8 m

Wendekreis

12,1 m

Verbrauch/CO₂-Ausstoß ADAC Ecotest

19,9 kWh/100 km, 99 g CO₂/km (well-to-Wheel)

Bewertung ADAC Ecotest (max. 5 Sterne)

*****

Reichweite

500 km

Innengeräusch bei 130 km/h

65 dB(A)

Leergewicht / Zuladung

2022 / 531 kg

Kofferraumvolumen normal / geklappt / dachhoch

390 / 910 / 1475 l

ADAC Testergebnis

ADAC Testergebnis

XPeng G6 Long Range (ab 08/24)

Karosserie/Kofferraum

2,7

Innenraum

2,7

Komfort

2,5

Motor/Antrieb

1,0

Fahreigenschaften

2,5

Sicherheit

2,0

Umwelt/EcoTest

1,5

Gesamtnote

2,0
Sicherheit und Umwelt werden doppelt gewertet

sehr gut

0,6 - 1,5

gut

1,6 - 2,5

befriedigend

2,6 - 3,5

ausreichend

3,6 - 4,5

mangelhaft

4,6 - 5,5

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